Der Corona Virus und die Spiele in Tokio 2020

In Italien gab es gestern (21.03.2020) fast 800 Tage durch das Corona Virus, in Tokio ist mittlerweile das Olympische Feuer angekommen. 

Wir vernehmen die Appelle aus Italien, uns unbedingt an die Auflagen unserer Regierung zu halten, damit wir nicht das in diesem Umfang erleben müssen, was dort gerade geschieht. Deutschland rüstet sich, weil abzusehen ist, dass die Kurve der Infizierten und Toten noch weiter steigen wird. 

Noch haben es nicht alle begriffen, das #stayathome. Es wird besser, aber besser ist nicht gut genug in dieser Krise!

Hier eine wichtige Bemerkung bevor ich weiter schreibe: Dies ist vorwiegend ein Blog, der sich mit meinem Weg zu den Paralympics nach Tokyo 2020 beschäftigt. Ich musste in den letzten Tagen vielfach Anfeindungen gegen meine Person hinnehmen und fand das nicht gerechtfertigt. Es gibt auch in einer Krise, ein Leben neben Corona. Niemand wertet dadurch die extrem große Priorität dieser Sache ab, im Gegenteil, die sehen wir alle! Sonst würden wir Spitzensportler nicht geeint so handeln. 

Aber vom Sport hängen genauso - wie in anderen Bereichen des Lebens - viele Arbeitsplätze ab, zudem das ist unser Job und solange Herr Bach und das IOC uns so in der Luft hängen lassen, haben wir keine andere Wahl, als das öffentlich auch in diesen Zeiten zu diskutieren. 

Wen Sport überhaupt nicht interessiert, wem diese Thematik egal ist, der braucht sich ja nicht an der Diskussion zu beteiligen. Ich bitten dann nur auch von abwertenden und überflüssigen Kommentaren abzusehen!

Nochmal kurz zurück zum Olympischen Feuer. Unter anderen Umständen würde ich das jetzt alles posten und im Internet verfolgen. Leider ist das hier anders. Das tut mir extrem leid für die Menschen, die vor Ort an allem beteiligt sind und auch für uns. 

Letztes Jahr stand ich in Tokyo im Rathaus, habe voller Stolz die Original Fackel der Paralympics gehalten und wenn mir da einer von einem Virus erzählt hätte, der die Welt aus den Angeln hebt, dann hätte ich das wahrscheinlich als Verschwörungstheorie abgetan. Mitte bis Ende Februar 2020 war ich die, die schon mehr als andere vor Corona gewarnt hatte, früher als jeder und hier noch immer ein müdes Lächeln geerntet hat. Ich hab's dann gelassen. 

Jeder von uns bereitet sich anders auf die Paralympics vor, jedem bedeuten diese Spiele etwas anderes, jeder verbindet etwas anderes damit. Das gilt in ähnlichem Maß auch für die Olympischen Spiele. 

WIR sind die HAUPTAKTEURE dieser Veranstaltungen und doch behandelt man uns im Moment fast wie unmündige Kinder, wie Statisten, die man auffordert, in der wichtigsten Trainingsperiode vor den Spielen "motiviert weiter zu trainieren", obwohl dies de fakto für viele kaum möglich ist. 

Die Trainingsstätten sind geschlossen, in der Wohnung kann nur der körperliche Gesamtzustand irgendwie etwas aufrecht erhalten werden und bei der heutigen Kälte würde ich eine Lungenentzündung, nicht Corona, bekommen, wenn ich da auf der Wiese stoße! 

In den letzten Tagen, bei frühlingshaften Temperaturen war das noch möglich, aber es bleibt dennoch mehr witziges Engagement als wirklich professionelles Training. Ja, wir geben unser Bestes, wir wollen auch Vorbild sein, im Sinne von #stayathome und jeder von uns will zudem gesund bleiben und will niemand anderen anstecken. Das ist ein großer Spagat! 

 

Ich habe mit vielen Athleten aus der ganzen Welt Kontakt, denen es ähnlich geht, die aber teilweise wenigstens noch trainieren können. Alle unsere Wettkämpfe wurden abgesagt, natürlich! Etwas anderes wäre auch verantwortungslos. Im Umkehrschluss gibt es dann halt auch keine weiteren Qualifizierungsmöglichkeiten für Tokio, auch keine Klassifizierungen für die Athleten, für die das noch in dem Jahr dran gewesen wäre. Zudem ist das gesamte Doping-System nur auf ein Mindestmaß heruntergefahren worden. Hier gibt es sogar klare Stellungnahmen von der WADA und das IOC verschließt die Augen. Sowas ist in meinen Augen verantwortungslos. 

Mein Tagesablauf sieht im Moment so aus:

Ich wache jeden Morgen auf, höre die neuesten Infos des Corona Experten aus Berlin, Christian Drosten, frühstücke, klinke mich dann in die News über Bayern von Corona ein, dann kommt das Home-Fitness-Programm und evtl. Einkaufen, aber ich bin noch gut versorgt. 

Anschließend erkundige ich mich über What's App oder Skype wie es meinem 87-jährigen Vater geht, der ebenfalls vernünftig ist. Dann Emails, was so in der Wohnung länger fällig war und Sport Teil 2 und Skype Anrufe bei Freunden. Zudem Hörbücher, weil ich ja nicht mehr so gut sehe. 

Und NATÜRLICH die Infos über die Olympischen Spiele, die mich SEHR BESCHÄFTIGEN, weil ich mich wie ein Flugzeug in Warteschleife fühle. Noch bin ich zu 3/4 aufgetankt, aber das wird von Tag zu Tag weniger, ich kann etwas nachfüllen, um bei Bedarf auch abheben zu können, weiß aber nicht genau, ob ich einen langen Flug dann wirklich durchhalte, weil ich sowas noch nie gemacht habe. 

(Ich habe bewusste Infos über die Olympischen Spiele geschrieben, weil das IOC immer ein Stück für uns mit entscheidet!)

Gestern hat Max Hartung im Aktuellen Sportstudio über Skype Zuschaltung gesagt, dass er keinesfalls an den Olympischen Spielen starten würde, wenn diese stattfinden würden. 

Meine Hochachtung vor dieser sehr sehr mutigen und starken Entscheidung, die ihm sicherlich alles abgerungen hat. 

Tatsächlich habe ich mir gestern auch Gedanken gemacht, was ich tun würde, wenn die Paralympics tatsächlich stattfinden würden, ABER ich kam für mich zu der Entscheidung, dass entweder bleibt ein Team oder Deutschland gemeinsam Zuhause und das lastet dann aber auch auf allen Schultern, nicht nur auf einer oder auf wenigen!

Foto: Binh Truong
Foto: Binh Truong

In Dubai hat ich meine Freude, mein Glück regelrecht rausgeschrien. 

Para-Sportler wie nicht-behinderte Sportler, wir alle begreifen sehr gut, dass es bei dem Event Olympische und Paralympische Spiele um viel mehr als nur Sport geht. Es geht um Milliarden, es geht um die Vermarktung des Sports selbst (während der Spiele und auch noch danach). Es geht auch um die Vermietung des Paralympischen Dorfes, die Anlagen vor Ort, es geht um Medienrechte, wahrscheinlich auch um Wahlen im Land, weil Versprechungen gemacht wurden. 

Und ich könnte noch fortfahren...

In Japan pilgern indes über 50.000 Menschen zur olympischen Flamme, um diese zu bewundern - ungeachtet der Gefahr des Corona Virus!! 

Bitte #Japan, schaut nach Italien, schaut auch zu uns nach Europa und gefährdet Euer Volk nicht!! 

Wenn ich das IOC und Herrn Bach sprechen höre, dann höre ich keine Vernunft. Eigentlich sind das alles kluge Menschen, aber sie gefährden die Gesundheit derer, die ihnen diese Spiele ermöglichen. Sie gefährden uns, das japanische Volk und dann auch wieder die Länder in die wir zurückkehren. 

Im Moment sagen Experten, dass der Virus 2022 wohl besser in Griff wäre, dass bis dahin auch ein Impfstoff gefunden sein kann und man viele damit versorgen könnte. Bitte, liebes IOC, denken Sie über dieses Szenario nach. Athleten sind flexibel. (auch im Hinblick auf Unterkunftsmöglichkeiten...)

(mein Brief an Herrn Bach ist öffentlich auf meinem Facebook Profil zu finden!)

 

Foto: Binh Truong
Foto: Binh Truong

Eines wollte ich zum Schluss noch sagen: Gestern fragte Katrin Müller-Hohenstein im Aktuellen Sportstudio Maximilian Schachmann, ob er denn wisse, wofür er denn in diesen Zeiten überhaupt noch trainiert. Er konnte die Frage spontan für sich nicht richtig beantworten. 

Eigentlich hatte ich für mich sofort eine Antwort. Trotz Corona ist der Sport meine "große Liebe". Die Kugel liegt im Gang und immer wenn ich stoßen kann, dann macht mich das glücklich. Ich kann auch meine Sorgen in dieses Teil packen und sie damit auf die Reise schicken. Der Sport ist das, was mir wieder ein Leben geschenkt hat und natürlich sind die Paralympics und andere internationale Wettkämpfe die Krönung, aber es ist mehr als Pflichterfüllung, es ist Leidenschaft. 

 

In diesem Sinn, lasst euch auch jetzt eure Träume nicht nehmen, passt gut auf euch auf und bitte bleibt wirklich Zuhause!