Ich sitze hier in meinem klimatisierten Appartement, habe - wie die anderen Athleten auch - heute Nachmittag eine kleine Auszeit und versuche diesen Blog Post anzufangen.
Doch es sind so viele Eindrücke, so viele Erlebnisse, die in den letzten Tagen auf mich eingeströmt sind, dass das gar nicht einfach wird.
Fangen wir mal so an: Geplant war ein Wurf-Camp in Takamatsu und einer der Athleten Tsukasa hat um das Trainingslager herum ein ganzes Rahmenprogramm gestrickt, was ich ganz großartig finde und wofür "Danke" eigentlich ein zu kleines Wort ist.
Leider können nicht alle Athleten die ganze Zeit beim Camp mit dabei sein, aber ihnen und mir gefällt diese Zeit gleichermaßen sehr gut, wir haben alle sehr, sehr viel Spaß. Das möchte ich vorwegschicken bevor ich weiterschreibe.
Das Stadion in dem wir in Takamatsu trainieren dürfen, ist erst rund 2 Jahre alt...so einen Bau als Trainingsareal habe ich noch nie gesehen. Und was mich am meisten fasziniert ist, dass wir gestern, nur 35km weiter in einem ähnlichen Stadion waren. Ähnliche Größe. Der Aufwärmplatz war ungefähr so groß wie unsere Wettkampfplätze. Die Dimensionen und die Förderung des Sports sind hier irgendwie anders. Es wird halt mehr die Leichtathletik, Baseball, Rugby und Hallensportarten gefördert.
Nach einem ersten Trainingstag war ich in einen der örtlichen Kindergärten eingeladen worden. Sehr spannend. Eine Übersetzerin kam mit und zu verschiedenen Fotos von mir habe ich - natürlich kindgerecht - immer ein paar Sätze gesagt. Danach haben wir eine DVD von allen paralympischen Sportarten angeschaut und die Kinder sollten danach mit uns noch Sitzvolleyball mit Luftballons spielen. Ich war extremst fasziniert wie aufmerksam die Kleinen da saßen und natürlich hatten sie dann beim Spielen auch viel Spaß.
Man muss natürlich immer fragen, aber ich darf das, was mir die Kinder danach noch gesungen haben hier auch zeigen. Es war fantastisch!!
Die Kinder wollten mich gar nicht mehr gehen lassen. Ein tolles Erlebnis für beide Seiten und einen Tag später sprach mich eine Frau vor dem Haus an, in dem das Appartement ist, in dem ich zur Zeit wohne. Es ist in einem Vorortwohnviertel in Takamatsu. Sie fragte mich, ob ich die Frau aus Deutschland mit der Goldmedaille wäre und erst einen Kindergarten besucht hätte. Dann zeigte sie mir das Foto ihrer Tochter, die genau in dieser Gruppe war und meinte, dass diese so wahnsinnig glücklich nach Hause gekommen wäre. Dieser Bericht kam dann noch im Fernsehen.
Das ist das Foto von dem Abendessen, wo dann wirklich alle Athleten anwesend waren. Auch hier war es nicht "nur" ein Essen, es wurde von Privatleuten gekocht und auch die Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Sie haben sich sehr gefreut, dass wir alle ihre Gäste waren, sie freuten sich, dass sie mehr von mir erfahren konnten.
Das Essen war - gelinde gesagt - fantastisch und dank Übersetzungs Apps am Handy oder kleinen Geräten (Pockettalk) kann man sich heute auch in Japan mit Menschen verständigen, die kein oder nur sehr schlecht Englisch sprechen.
Die Dame, die hier so ganz euphorisch ins Foto lacht, leitet einen Laden, in dem Schuluniformen und andere Dinge genäht werden. Hier haben wir auch gegessen.
All das, was ich hier erlebe, das wird das Japan sein, das ich in den Erinnerungen mit nach Hause nehme.
Für jeden Tag sind (mit zwei Mal OFF) zwei Trainingseinheiten angesetzt. Die Hitze macht es einem nicht leicht und pro Einheit trinkt man schon mal 2,5-3 Liter weg. Wir machen auch moderat, keine Sorge. Was sich die Sonne zurückgehalten hat (Sightseeing), das gibt sie jetzt aber doppelt zurück.
Auf dem Bild recht oben ist Mariko zu sehen. Sie ist in meiner Gruppe und mit der Idee und meinem Wunsch, ihr etwas zu helfen, hat alles angefangen. Ich würde es mir sehr wünschen, dass sie sich so steigern könnte, um Tokyo2020 dabei zu sein und ich denke, das ist auch möglich. Die Paralympics im eigenen Land sollte man als Athlet erleben!!
Wako ist ein sehr guter Speerwerfer und witziger junger Mann.
Die Gegend um Takamatsu ist bekannt für seine Udong-Nudeln und darum essen wir sie auch oft zu Mittag. Ich schaffe das jetzt auch schon ganz gut mit Stäbchen.
Die Abende, die wir nach dem Training zusammen verbringen sind immer sehr lustig und interessant für beide Seiten.
In Japan wird auch gerne mal ein Döschen Bier nach dem Training getrunken (wie bei uns auch) und wir alle fragen uns mit den Tagen immer mehr durch sehr viele Themengebiete: Sportlich, privat, Deutschland allgemein, wie man so wohnt, was jeder so gerne macht... .
Wir lernen voneinander und haben - wie ich schon öfter erwähnte - eine Menge Spaß.
Gestern Abend nach einem sehr anstrengenden Trainingstag (extreme Hitze!) sind wir dann zum Barbecue gefahren. Japanisches Barbecue muss man erlebt haben!!
Folgende kleine Geschichte möchte ich vorausschicken. Noch im APA-Hotel in Osaka roch ich an einem Abend so fiesen Rauch, dass ich dachte, es brennt irgendwo im Hotel. Auf meine Nachfrage im Hotel, schmunzelten alle und meinten, dass dies "Japanese barbecue" wäre. Ich konnte dieses "Schmunzeln" nicht ganz deuten, aber heute verstehe ich es. Die Rauchentwicklung beim Grillen ist so groß, dass ich gar kein Wort dafür finde. Es werden auf jeden Fall Minifleischhäppchen auf den Grill geworfen, die dann auch gleich durch sind. Die tunkt man in japanische Barbecue Sauce und zwar verteilt auf ein oder zwei Tellern und jeder bedient sich davon. (Mit Stäbchen) Man teilt übrigengs meist sein Abendessen mit den anderen. Es wird eine Auswahl eingekauft und davon bedient sich dann jeder. Auch im Restaurant. Finde ich persönlich gut. Auf dem Foto stößt jeder mit mir mit alkoholfreiem Bier an, das extra besorgt wurde, weil ich ja keinen Alkohol trinken darf.
Heute morgen war ich dann in einer der örtlichen Highschools zu Gast und habe einer Kalligraphie-Darbietung beigewohnt, die ich unheimlich stark fand. Wir haben das Ganze auf Video, so könnt Ihr Euch selbst ein Bild davon machen. Herausgekommen ist dann dieses Gesamtkunstwerk. Was es darstellt, das wird im letzten Video von einer der Studentinnen erklärt. (Auf jeden Fall ist auch ein Kugelstoßer drauf zu sehen!)
Anschließend habe ich einen Vortrag vor den englischsprechenden Highschool-Studenten gehalten und ich war (wie auch schon beim Besuch des Kindergartens) fasziniert davon wie ruhig und interessiert die Studenten zuhörten. Kein Schwätzen, kein Tuscheln, kein Spielen am Handy...woah!!
Es kamen danach auch viele Fragen und sehr rührend war, dass viele "eine Goldhand" schütteln wollten.
Der 4. (volle) Tag in Takamatsu geht in einem sehr guten japanischen Restaurant zu Ende. Man konnte per Touch-Pad wählen. Diesmal lernte ich Kaito, einen jungen Tennisspieler und seinen Vater kennen. Der junge Grundschüler war sehr klug, im Sport schon extrem ambitioniert und gut. Seine Fragen weit über das Niveau eines Kindes in diesem Alter, das ich sonst gewohnt bin. Hat mir gefallen.
Morgen "darf" ich ein wenig ausschlafen, dann ist Training und am Nachmittag spreche ich nochmal.
Der nächste Blog wird wahrscheinlich in ähnlich zusammengefasster Weise kommen, denn abends bin ich meist extrem erschöpft, da geht einfach nichts mehr.